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Am Anfang steht eine vielversprechende Errungenschaft, dann kommt der Hype mit einer Vielzahl an unterschiedlichsten Erwartungen und irgendwann kehrt schließlich „Normalität“ ein: Man setzt sich unter Abwägung der Vor- und Nachteile mit dem „neuen“ Thema auseinander. So läuft der Umgang mit neuen Technologien in der Regel ab, wie die Gartner-Analystin Jackie Fenn im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit herausfand.
Die Digitalisierung selbst ist an sich nichts Neues. Rechnerunterstütztes Konstruieren bzw. Produzieren (CAD, CAM) erfreut sich bereits seit den 80er Jahren breiter Akzeptanz und Digital Engineering ist im Grunde genommen eine logische Weiterentwicklung des Ganzen. Der größte Unterschied zu den Anfängen des sogenannten Computer Integrated Manufacturing (CIM) besteht jetzt darin, dass unter dem Deckmantel Industrie 4.0 zunehmend verknüpft wird, was früher in separaten Systemen erfolgte. Denn Insellösungen waren gestern. Heute gelten in den meisten Unternehmen durchgängige Datenketten, am besten von der Planung bis zur Qualitätskontrolle, als mittel- bis langfristig zu erreichendes Digitalisierungsziel. Und das aus gutem Grund: Einerseits helfen gezielt kanalisierte Echtzeit-Datenströme die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Abteilungen sowie mit Kunden und Lieferanten zu verbessern, indem sie für maximale Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette sorgen. Andererseits dienen diese als Basis für eine automatisierte Verschleißüberwachung (Predictive Maintenance), realitätsgetreue Simulationen (Digitaler Zwilling) und zahlreiche andere moderne Lösungen, die ein proaktives, vorausschauendes Handeln ermöglichen.
Digitalisierung ist in den Fabrikhallen angekommen
Laut einer aktuellen IT-Trend-Studie von Capgemini fließt im deutschsprachigen Raum jeder dritte Euro in die Digitalisierung. Obwohl auch für Machine Learning, Predictive Analytics oder Bilderkennung immer mehr Geld ausgegeben wird, haben diese Themen bei den meisten Unternehmen noch nicht höchste Priorität, wie man herausfand. Stattdessen werde vor allem eine spürbare Produktivitätssteigerung angepeilt – u. a. durch eine Reduktion der Ausfall-, Service- und Wartungs-Zeiten. Außerdem steht vielfach das Erreichen einer höchstmöglichen Prozess- und Produktqualität als weiterer wettbewerbsentscheidender Faktor im Fokus der eigenen Digitalisierungsbestrebungen.
„Volldigitalisiert“ sind derzeit die wenigsten. Rockwell Automation zählt dazu. Wir haben die Vision eines Connected Enterprise in den eigenen Werken umgesetzt bevor wir damit begannen, unseren Kunden entsprechende Consulting-Dienstleistungen anzubieten. Wir wissen demnach, wovon wir reden, wenn wir beispielsweise den Einsatz von RFID-Technologien für Tracking-Aktivitäten oder als Manipulationsschutz empfehlen. In unseren Werken ist es mittlerweile Usus, dass eine Maschine selbst erkennt bzw. abcheckt, ob jene Person, die sie gerade zu bedienen versucht, überhaupt befugt ist dazu bzw. ob diese über die nötigen Trainings verfügt. Von sich aus tätig werden unsere Produktionsanlagen auch im Störungsfall. Sie melden ihre Fehler selbst und können darüber hinausgehend via Augmented Reality Tools professionelle Anleitungen zur Problembehebung liefern. Teilweise bekommt der Maschinenbediener auf einer Mixed-Reality-Brille eingeblendet, was zu tun ist, teilweise werden ihm von wissenden Kollegen oder Externen entsprechende Handlungsanleitungen aus der Ferne live zugespielt. Denn mittlerweile gibt es praxiserprobte Lösungen, die Augmented Reality mit Echtzeitkommunikation kombinieren. Da wird dann wirklich Klartext gesprochen mit detaillierten Auskünften wie: „Beheben lässt sich das vorliegende Problem, indem du eine Sicherung vom Typ xy aus dem Lager holst – es sind eh noch drei Stück davon verfügbar – und im Schaltschrank Nummer z wechselst.“ Solche Szenarien sind heutzutage nicht mehr nur Zukunftsmusik, sondern immer öfter gelebte Realität.
Der digitale Zwilling lebt
Generell ist der Zugang zum Thema Digitalisierung in den letzten beiden Jahren ein wenig pragmatischer geworden. In der ersten Hype-Phase wurde viel versprochen und experimentiert, jetzt sind wir am Boden der Realität gelandet. „Transformation goes pragmatic“, kündigten die Marktforscher von Forrester Research Ende 2018 an und genau das ist passiert. Statt auf KI, die Blockchain oder die zwanghafte Suche nach neuen Geschäftsmodellen fokussieren sich die Unternehmen auf, wie es der Veranstalter der Nürnberger Automatisierungsfachmesse SPS bezeichnet, „Smart Product Solutions“. Auf zukunftsweisende Lösungen, die handfeste, messbare Vorteile bringen. Simulationswerkzeuge sind meines Erachtens ein besonders gutes Beispiel für digitale Technologien mit erwiesenermaßen produktivitätssteigernder Wirkung. Egal ob in der Entwicklungsabteilung, bei der Inbetriebnahme einer Anlage oder bei deren Feinjustierung – virtuelle Abbilder von einzelnen Komponenten, kompletten Anlagen, komplexen Prozessen oder ganzen Fabriken können an unterschiedlichsten Stellen als wertvolle Optimierungshebel dienen. Die ersten „digitalen Zwillinge“ wurden wie eingangs bereits erwähnt mit der Einführung von CAD/CAM-Systemen zum Leben erweckt. Seither hat sich „einiges“ getan. Denn mit der Datenverarbeitungsleistung von Computern stieg auch deren Simulationsvermögen, wie Ende November auf der Nürnberger SPS live zu erleben war. Falls Sie nicht vor Ort sein konnten, hier geht’s zum virtuellen Abbild unseres Messeauftritts. Aber Vorsicht so ein Rundgang durch die modernen Möglichkeiten des Automatisierens und Connectens könnte zum Um- bzw. Einsetzen anregen!
Veröffentlicht 5. März 2020